In einem früheren Beitrag habe ich schon einmal das Ruinenfeld von Puma Punku erwähnt. An dieser Stelle möchte ich noch einige Gedanken hinzufügen.
In der Wikipedia ebenso wie in der umfangreichen Literatur zum Thema wird darüber philosophiert, wie, wann und warum die gewaltige Anlage erstellt wurde. Hier werden Fragen aufgeworfen, für die es fast unmöglich ist, eine Antwort zu finden. Ich möchte aber noch eine weitere hinzufügen, die mich mindestens ebenso sehr beschäftigt: Wer hat sich so große Mühe gegeben, die Bauwerke derart nachdrücklich zu zerstören, dass – im wahrsten Sinne des Wortes – kein Stein auf dem anderen blieb?
In den verschiedensten Berichten wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Steine durch „ebene Flächen, geometrische Formen, präzise Kanten und innere rechte Winkel“ so perfekt zueinander verzahnt wurden, dass man in die Zwischenräume nicht einmal eine Rasierklinge schieben könnte. Außerdem galten die Bauwerke als „vollkommen erdbebenresistent“. Häufig wird ein Vergleich zu den Steckbausteinen herangezogen, mit denen Kinder der heutigen Zeit zu spielen pflegen. Dabei hat schon so manch einer sich einen Fingernagel abgebrochen bei dem Versuch, einige dünne Steinchen voneinander zu trennen.Dennoch aber fanden bereits die spanischen Eroberer im 16. Jahrhundert die Anlage zerstört vor; und zwar zerstört auf eine besonders auffällige Weise. Es kann weder an einem besonders starken Erdbeben noch an einer Explosion gelegen haben; denn in beiden Fällen würden die Bruchstücke in einem erkennbaren Trümmerhaufen zurückbleiben. Auch eine kriegerische Auseinandersetzung ist keine nachvollziehbare Begründung, denn es ist anzunehmen, dass die Sieger zwar plündern und brandschatzen, aber keine Zeit dafür verschwenden würden, jedes einzelne Bauteil der Anlage aus seinem Gefüge zu reißen und in der weiten Fläche der Hochebene zu zerstreuen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass viele der Einzelteile tonnenschwer sind und aus Andesit bestehen, einem vulkanischen Gestein mit hohem Härtegrad. Die Vermutung liegt nahe, dass irgendjemand ein besonderes Interesse daran hatte, die Bauwerke nicht nur gründlich zu zerstören, sondern sogar jeden Hinweis auf deren Zweck und Funktion zu vernichten.
Als Vergleich bietet sich an die Errichtung eines (militärischen?) Stützpunktes, der für einen begrenzten Zeitraum genutzt wird. Zum Aufbau und Schutz der Anlage werden vorhandene Ressourcen und Baumaterialien genutzt. Sie werden durch mitgebrachtes Equipment ergänzt. Nach Beendigung des Auftrages wird die Anlage verlassen, eigenes Material wieder eingepackt. Für die Schutzmauern aber gibt es keine weitere Verwendung. Um einen eventuellen späteren Missbrauch zu verhindern, müssen die Mauern geschleift werden. Die Anlage soll nie wieder für irgendeinen Zweck genutzt werden können – erst recht nicht von einem möglichen Feind. Auch durften keinerlei Hinweise auf die Bauweise oder den Zweck des Ganzen zurückbleiben. Zu späteren Zeiten wurde die Fläche als Steinbruch ausgebeutet, soweit dies überhaupt möglich war.
Nur auf diese Art und Weise ließe sich erklären, warum die Bauten von Puma Punku sich in einem derart nachhaltig zerstörten Zustand befinden, wie sie sich heute dem Besucher zeigen.
Literaturhinweis:„Puma Punkus Rätsel“. In: Sagenhafte Zeiten, Heft 4/2010, ISSN 1422-8793